Hier kommt jetzt das Ende, so wie ich es mir gedacht hatte … allerdings mit einem selbst für mich unerwarteten „Twist“.
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Es dauerte sehr lange, bis die Wanderer es Astra verziehen hatten, dass sie Holger nicht heiraten wollte. Aber in dieser einen Angelegenheit blieb sie fest. Ansonsten gab sie sich die grösste Mühe, zu dem Gelingen des Projektes beizutragen. Trotzdem hatte sie immer das Gefühl, dass sie beobachtet wurde. Wann würden sie ihr endlich vertrauen?
Nun, sie konnte nicht mehr tun als sich voll und ganz für die Siedler einzusetzen. Sie dankten es ihr und kamen immer öfter zu ihr, wenn sie einen Rat brauchten. Auch das bemerkten die Wanderer natürlich.
Eines Abends als Astra sich mit den Wanderern treffen sollte, sass sie allein im Konferenzzimmer. Die Tür zum benachbarten Computerraum war nur angelehnt. War das jetzt eine Probe, die sie bestehen sollte? Wollten sie sie in Versuchung führen, auf die Computer zu schauen? Diese Probe würde sie nie bestehen, denn dazu war sie viel zu neugierig! Ihr einziges Problem war, ob es im Konferenzzimmer Kameras gab, die jemand überwachte …
Sie versuchte standhaft zu bleiben, aber ihr Blick heftete sich immer öfter auf die angelehnte Tür. Ich schleiche mich hin und spähe hinein. Wenn jemand dort ist, schleiche ich mich ebenso leise zurück. Gedacht, getan, sie schlich hin. Niemand war im Computerraum. Aber dort waren bestimmt Kameras. Sie würden sie sofort entdecken und dann konnte sie wieder von vorne anfangen mit dem Vertrauen gewinnen. Wenn ihr nicht Schlimmeres passierte. Man konnte sowas immer als Unfall tarnen. Warum war sie nur so wissbegierig? Sie fand, dass das Wort besser klang als „neugierig“ und auch die Tatsachen besser wiedergab.
Sie ging hinein. Alle Wände des Raumes waren mit Bildschirmen in verschiedenen Grössen bedeckt. Szenen aus aller Welt liefen dort ab. Europa, Asien, Afrika … wie konnte das sein? Überall waren Menschen zu sehen, Autos fuhren, was war das hier, ein Museum? Astra schaute auf das Datum auf einem der Bildschirme; es war das heutige Datum. Ihr wurde schwindelig. Hatte sie Recht gehabt und die ganze Geschichte war von vorne bis hinten erstunken und erlogen? Aber warum? Warum?
Sie fühlte eine Bewegung hinter sich und im nächsten Moment einen Stich im Hals. ‚Die Wanderer und ihre blöden Spritzen‘, dachte sie, kurz bevor sie umsank.
Als Astra aufwachte, befand sie sich wieder in dem Zimmer, in dem sie am Anfang ihrer Zeit auf Stewart Island so viele Tage verbracht hatte. Sie seufzte, in banger Ahnung, was da wohl kommen mochte.
Erst am nächsten Tag kamen Holger und ihr Grossvater zu ihr. Sie sahen Ernst aus. „Astra, deine Lage ist prekär, trotz deiner Beliebtheit bei dem neuen Volk“. ‚Selbst jetzt musste er noch die Lüge aufrechterhalten‘, dachte Astra. „Wir können dich nur schützen, wenn du jetzt Holger heiratest. Du hast zu viel gesehen.“
„Warum erklärt ihr mir nicht erst einmal, was ich da eigentlich gesehen habe? Waren das vielleicht alles Zombies auf den Bildschirmen?“
„Das Witzeln wird dir schon noch vergehen!“ brach es aus Holger hervor. „Und dich soll ich heiraten?“ fragte Astra, „hast du vor mich zu prügeln?“ Über Holgers Gesicht breitete sich ein tiefes Rot.
Ihr Grossvater mischte sich ein. „Wir haben Stewart Island von Mammon zur Verfügung gestellt bekommen als Wohnplatz für alle, die uns folgen wollten. Dafür hat man uns am Leben gelassen. Die Siedler wissen nichts davon, für sie ist das Projekt Realität. Und man sollte ihnen diese glückliche Illusion lassen. Mammon war zu stark für uns, er hatte zu viele Anhänger. Wir hatten nicht die geringste Chance. Deshalb gingen wir auf diese Absprache ein.“
„Und was passiert, wenn das ’neue Volk‘ wächst? Wo sollen die dann hinwandern?“ Astras Ton war spöttisch. „Das neue Volk wird nicht wachsen. Das gehört zur Absprache. Wir werden aussterben, aber zumindest brauchen wir dann nicht ständig unter der Angst zu leben verfolgt und getötet zu werden.“
„Wie könnt ihr jemandem wie Mammon vertrauen?“ „Liebe Enkeltochter, von Vertrauen kann keine Rede sein. Wir haben das Schlafgift überall auf der Welt verteilt, und wenn uns hier etwas geschehen sollte, wird es automatisch freigesetzt. Mammons Diener sind natürlich dabei, die Depots zu finden. Es wird ihnen nie gelingen!“ Wenn es sich nicht um ihren Grossvater gehandelt hätte, hätte sie gesagt er gluckste fröhlich vor sich hin. Es hörte sich ganz so an.
Astra war im Zwiespalt. Auf der einen Seite war sie erleichtert, dass kein weltweiter Volksmord geschehen war. Auf der anderen Seite war sie erbost, dass man sie so hinters Licht geführt hatte. Letztendlich siegte die Erleichterung. „Weisst du was, Grossvater, ich spiele mit bis zum Ende, auch wenn ich über all eure Lügen enttäuscht bin, aber Holger heirate ich nicht, egal was mit mir passiert. Habt ihr mich mit Absicht in Versuchung geführt mit der angelehnten Tür, damit ich vor lauter Angst doch noch Holger heirate? Eigentlich seid ihr ziemlich bemitleidenswert!“ Sie begann schallend zu lachen und nach einiger Zeit fiel ihr Grossvater mit seinem Bass ein, während Holger beleidigt das Zimmer verliess.
Die Wanderer, die die ältesten der Siedler waren, starben als erste. Doch unter Astra hatte sich eine neue Gruppe gebildet, die das Leben auf der Insel überwachte. Holger hatte zum Schluss eingesehen, dass man niemanden dazu zwingen sollte eine Ehe einzugehen und half tatkräftig mit.
Als schliesslich Astras Grossvater auf seinem Sterbebett lag flüsterte er ihr ins Ohr: „Das Schlafgift existiert überhaupt nicht, aber verrate es niemandem, nicht einmal Holger!“ Alle, die draussen vor der Tür standen, wunderten sich, dass aus dem Sterbezimmer schallendes Gelächter zu hören war.
„Grossvater, eines musst du mir noch verraten, wer ist dieser uralte Mann mit dem faltigen Gesicht und der Zipfelmütze?“ – „Keine Ahnung“, erwiderte er, „irgend so ein Wichtigtuer, der sich überall einmischen muss!“
„Puff“ machte es und der uralte Mann stand am Fussende des Bettes, hochrot im Gesicht vor Zorn. „Darüber werden wir noch reden, wenn du ankommst, du überheblicher alter Esel!“
Astra krümmte sich vor Lachen, der Ausdruck auf dem Gesicht ihres Grossvaters war zu köstlich. Bevor sie etwas fragen konnte, war der Alte natürlich längst wieder verschwunden. „Das kann ja heiter werden“, brummte ihr Grossvater, „ich glaube ich bleibe noch ein bisschen hier!“ Und so geschah es.
Ende, aus und Schluss … 😉
Krass! Auch dieses Ende passt zur gesamten Geschichte. Uns gefällt es und wir sind immer noch der Meinung, dass Du ein Buch schreiben solltest! 🙂
LG
AnDi
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Mein Ende ist mehr so in der Art wie „1984“ oder „The children of men“.
Wir werden uns mal nach den Möglichkeiten mit Book on demand erkundigen. Dort kann man anscheinend jetzt auch E-Books veröffentlichen.
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Das klingt nach einem guten Plan!
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Da beweist der alte Mann doch noch einen unerwartet frischen Humor. Ich könnte mich ehrlich gesagt nicht entscheiden, welches Ende ich nehmen würde. Beide sind auf ihre ganz eigene Weise charmant und sehr passend. Ich bin gespannt auf die nächste Geschichte. 🙂
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Danke dir! Die Version meines Mannes ist schon ziemlich hart. Je nach meiner Gemütsverfassung finde ich mal die eine, mal die andere Version besser. Bei Nr. 1 passiert wenigstens etwas, wenn es auch ziemlich drastisch ist, während bei Nr. 2 dieses Element der Aussichtslosigkeit vorherrscht.
Jetzt kommt erst einmal der Umzug. Ich habe ein paar kleine Geschichten liegen, die ich noch nicht veröffentlicht habe, die werde ich über den August verteilen. Und ein wenig Italien … 😉
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Liebe Birgit,
das ist ein schönes ENDE – es gefällt mir sehr!
Danke für die tolle Geschichte.
❤Lieben Gruß Lilo
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Das freut mich sehr, liebe Lilo!
❤ lichen Gruss zurück
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